Der sprachbildungspolitische Auftrag von Netflix und Co.

Ich bin im hohen Norden von Deutschland aufgewachsen und kam dadurch viel mit Dänemark in Berührung und war insgeheim immer ein wenig neidisch auf die Dänen, da sie meistens gut deutsch sprachen, man selber jedoch nur die typischen und leider oft despektierlichen Floskeln konnte. Später habe ich dann auch noch gemerkt, dass Sie nicht nur gut deutsch sondern auch nahezu perfekt englisch sprachen. Mit fortschreitendem Alter merkte man dann, dass dies nicht nur für die Dänen, sondern für ganz Skandinavien gilt.
Wenn man sich anschaut, was diese Länder gemein haben, dann fallen mehrere Aspekte auf. Zum einen sind die Sprachen miteinander verwandt, sodass das erlernen vereinfacht wird. Zum anderen ist das allgemeine Bildungsniveau in den jeweiligen Ländern sehr hoch. Dennoch erklärt dies nicht, weshalb die Sprachkenntnisse im Englischen frappant besser sind. Die deutsche Sprache ist mit dem Englischen ebenfalls verwandt und der Bildungsstand in Deutschland steht dem der skandinavischen Ländern in Nichts nach.
Der vermutlich ausschlaggebende Grund für den Niveauunterschied in der Sprachkenntnis liegt in der Abwesenheit von Übersetzungen von Filmen und Serien. In allen Ländern, in den Filme und Serien nicht übersetzt werden, ist das Sprachniveau im Englischen höher als in Ländern mit einer existierenden Übersetzerszene. In Ländern wie den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland werden Filme im Orginal mit Untertiteln (OmU), wenn nicht sogar in der Originalversion (OV) gezeigt. Nur bei Kinder- und Animationsfilmen werden Ausnahmen gemacht. Dieser Sachverhalt rührt daher, dass Übersetzungen deutlich teurer sind als Untertitel, hat aber einen angenehmen Nebeneffekt. In Vergleichstest, wie dem EF EPI (English Proficiency Test), wird dieser Zusammenhang immer wieder deutlich. All diese Länder schneiden überdurchschnittlich gut in ihren Englischkenntnissen ab. Dies ist eine klassische Win-Win-Situation – man spart Geld und die Menschen werden dennoch gebildet. Ein Traum für jeden Politiker oder Manager!

Soweit, so bekannt. Natürlich versucht man hier gegenzuwirken und engagierte Lehrer bemühen sich mit Herzblut, ihren Schülern die Liebe für die englische Sprache näher zu bringen und Eltern geben Unsummen für Auslandsaufenthalte, Sprachkurse oder Nachhilfestunden aus. Dabei kann die Lösung deutlich günstiger sein.

Denn meiner Meinung nach werden Video-on-Demand-Anbieter dazu beitragen, dass die durchschnittlichen Sprachkenntnisse im Englischen und vielleicht sogar in weiteren Sprachen steigen wird und dafür nicht mal gepaukt werden.

Bereits jetzt hat ein Großteil der Deutschen einen Netflix oder Amazon Video Zugang. Vor allem unter jungen Leuten ist das VoD-Prinzip beliebt, da es zu deren Lebensweise passt. Der immense Vorteil, den dieses Konzept gegenüber dem traditionellen Fernsehen hat, ist die Mehrsprachenfunktionalität. Man kann nun ganz entspannt zwischen der englischen Originalversion, der OmU-Version oder der übersetzten Version wechseln. Dabei darf man nicht vergessen, dass man nicht nur englische Filme zur Auswahl hat, sondern auch Französische, Spanische, Italienische oder Türkische. Oftmals kann man bei Eigenproduktionen von Netflix eine dieser Sprachen und dazu beliebige Untertitel auswählen.

Was das für Möglichkeiten bei dem Erlernen von Fremdsprachen ermöglicht!

Man muss sich nur in Erinnerung rufen, wie oft man stupide Vokabeln oder Grammatik lernen musste. Anstelle von drögem Grammatik- und Vokabelpauken, könnte man Schülern die Hausaufgabe aufgeben, dass sie die Serien House of Cards im englischen auf Netflix schauen sollen. Dort lernen sie etwas über die Amerikanische Politikstruktur (zugegeben etwas überspitzt dargestellt) und können en passent ihr Englisch verbessern. Dies gilt aber nicht nur für Schüler. Für jeden Erwachsenen ist es vermutlich sinniger, dass er eher eine Serie im OmU schaut und die Zeit nicht in der VHS verbringt.

Meiner Meinung nach gibt es noch einen weiteren Punkt, der ins Gewicht fällt. Durch die Übersetzung geht ein Teil des Charakters des Films verloren. Es ist fast nie möglich, den Klang und den Timbre einer Stimme bei Übersetzungen zu erhalten und dabei legen Regisseure ein großes Augenmerk darauf, dass ihr Film wie eine Gesamtkomposition wirkt. Zusätzlich sieht es immer ein wenig falsch aus, wenn die Lippen sich nicht passend zum Ton bewegen.

Es ist eigentlich schade, denn Deutschland und Frankreich hatten bereits so einen Weg mit dem Kooperationsprojekt „arte“ eingeschlagen. Dort wurden französische Filme und Beiträge immer nur in OmU gezeigt. Dieser Weg hätte weitergegangen werden müssen. Leider haben sich altbewährte Gewohnheiten durchgesetzt.

Doch es ist nie zu spät!
Deshalb plädiere ich dafür, dass man jedem Schüler einen Zugang zu einem Streamingdienstleister anbietet. In zwanzig Jahren werden wir merken, dass Deutschland zu den Spitzenländern aufschließen wird und das fast ohne Anstrengung! Auch wenn die Rechnung  gemein ist, aber vermutlich könnten einige Lehrerstellen für Fremdsprachen gespart werden, wenn man Schülern diese Möglichkeit bietet.

Somit übernimmt Netflix jetzt schon einen bildungspolitischen Auftrag, den eigentlich der öffentlich Rundfunk übernehmen sollte. Der sendet jedoch immer noch alles nur in deutsch und hält alle Beiträge nur für eine Woche vor. Die Möglichkeiten sind vorhanden, man muss nur den Mut haben, sie auch zu nutzen.

Die Gesamtheit aller Begriffe

Seit nun etwas mehr als 16 Jahren gibt es die Wikipedia. Diese Website hat sich zu einer verlässlichen Quelle für Informationen etabliert. Fast jeder informiert sich mal eben schnell über Sachverhalte, die ihm nicht geläufig sind. Ich weiß nicht, was die Kuznet’s Kurve aussagt – kein Problem. Ich lese gerade einen alten Text und wundere mich, dass die Wörter eine leicht andere Orthografie aufweisen – dann lese ich etwas über das Mittelhochdeutsche. Vielleicht habe ich aber auch einfach gerade Zeit und möchte mich über die ISO informieren, in der beschrieben wird, wie und in welcher Form japanische Schriftzeichen ins lateinische transkribiert werden (ISO 3602). Zu fast allem, was man sucht, findet man einen Eintrag bei Wikipedia (auch wenn er manchmal nur ein paar Zeilen lang ist und nicht dem Anspruch genügt, den die Wikipedia an Artikel stellt).

Worauf ich jedoch hinaus möchte, ist, dass die Menge der (englischsprachigen) Artikel in der Wikipedia, ein halbwegs guter Indikator für die Anzahl der von der Menschheit benannten Gegenstände oder Sachverhalte ist. Da zu fast jedem Begriff ein Artikel besteht, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Anzahl der Artikel eine Annäherung für die Menge aller Begriffe ist. Natürlich ist dies nur eine grobe Schätzung und um den Sicherheitsfaktor zu erhöhen, multipliziere ich die Zahl mit drei. Demnach kommt man auf eine Zahl von knapp 16,5 Mio. (Stand Mai 2017). Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Zahl tatsächlich ein guter Indikator für die Gesamtheit aller Begriffe, die der Mensch nutzt, um die Welt um sich herum zu beschreiben. Wenn man eine noch konservativere Schätzung abgeben möchte, könnte man sagen, dass die Menge aller Begriffe vermutlich bei unter 100 Millionen liegt.
Es kommt mir jedoch nicht darauf an, eine genaue Zahl zu haben, denn aus der Größenordnung können bereits weitere Schlussfolgerungen abgeleitet werden. Zum einen scheint dies ein Größenordnung zu sein, mit der der Mensch umgehen kann. Zum anderen gibt uns das wiederum Aufschluss über die Speicherkapazität des Gehirns. Da diese Begriffe in unserem Gehirn abgespeichert werden, fungiert diese Zahl gleichzeitig als Indikator für die minimale Speicherkapazität des Gehirns.

Ich gebe zu, diese Herangehensweise entbehrt einer gewissen Wissenschaftlichen Rigidität, lehnt sich jedoch stark an die Argumentationsweise von Fermi, bzw. die Lösung eines Fermi-Problems an. Bei solchen Problemen muss eine Lösung oder Heuristik für ein schwer quantifizierbares Problem gefunden werden. Ihr wollt Genaueres wissen? Kein Problem, ich kenne da eine Seite, die euch da helfen kann.