Migrationshintergrund – Wer ist hier Migrant?

Auf einer italienischen Insel haben 1941 drei Gefangene die Idee von Europa erdacht und es im Manifest von Ventotene niedergeschrieben. Im Angesicht der Zerstörung und den Qualen, die die Völker Europas immer wieder über sich gebracht haben und die im zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt fanden, wollten sie ein gemeinsames Europa entwerfen, das für Gleichheit sowie Bruder- und Schwesternschaft steht.

Mit dem heutigen Wissen kann mit Fug und Recht konstatiert werden, dass diese Idee eine Erfolgsgeschichte ist. Über 70 Jahre Frieden und Wohlstand für Europa und dennoch gibt es einen Punkt, der mich stört. In Deutschland gibt es meiner Meinung nach einen Begriff, der die Kraft dieser Idee schmälert: Der des Migrationshintergrunds. Immernoch wird durch die Anwendung dieses Begriffs den Bürgern Europas ein Stigma angehaftet. Von den knapp über 81,7 Millionen Menschen in Deutschland haben 19,8 Millionen einen sogenannten Migrationshintergrund, also nicht ganz 25 Prozent. Von diesen 25 Prozent sind aber 36 % Menschen aus der EU!

Ein bürokratisches Stigma

Doch wie kann es sein, dass man den EU-Bürgern, dieses Stigma anhaftet? Denn der Begriff des Migrationshintergrunds ist schon lange durch die euphemistische Tretmühle und ist mittlerweile konnotiert wie der Gastarbeiter früher. Dabei ging es doch in Europa darum, dass wir uns einen und nicht fadenscheinige Unterschiede suchen, die eigentlich eher zu vernachlässigen sind. Wenn man ehrlich ist, ist es doch so, der kulturelle Unterschied innerhalb eines Landes ist oftmals größer als zwischen den Ländern. Das Leben in Flensburg ist um einiges anders als das Leben in Garmischpartenkirchen. Das ist auch klar, aber dennoch hätte ein Flensburger keinen Migrationshintergrund, wenn er nach Südbayern zieht. Der Österreicher, der nach Bayern zieht aber schon. Nicht zu vergessen, dass es de jure schon vorgesehen ist, dass alle Europäer einen europäischen Pass haben und somit Unionsbürger sind und dadurch auch gleichwertig sein müssen. Ganz zu schweigen von der allen Unionsbürgern zustehenden Diskriminierungsfreiheit. Wie kann es also sein, dass ein Franzose, der in Deutschland arbeitet, einen Migrationshintergrund hat, der Schwabe, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt, aber nicht?

Lasst uns die Idee Europas ernstnehmen und nicht immer nach großen Unterschieden suchen, wo höchstens Kleine sind. Oder wie die drei Gefangenen es in Ihrem Originaltitel festgehalten haben: Per un’Europa libera e unita. Progetto d’un manifesto. Auf deutsch: Für ein freies und vereintes Europa. Projekt eines Manifests.

Beschleunigung – ein verworrener Begriff

Endlich ist die Zeit zwischen den Jahren da. Der Puls der Zeit verlangsamt sich und Ruhe und Muße halten Einzug in unsere Häuser. Dieser Leerlauf erlaubt es uns, einen Schritt zurück zu treten und von oben auf unser Leben zu blicken. So gab es eine interessante Gesprächsgruppe im DLF, die sich über die Beschleunigung des Lebens unterhalten hat. Oftmals fiel dasselbige Wort. Die Welt wird immer schneller, so die landläufige Meinung. Doch ist dem tatsächlich so? Ich habe eher das Gefühl, dass dies in der Art und Weise unserer Wahrnehmung der Welt begründet liegt.

Geschwindigkeit – ein relativer Begriff

Ja, es stimmt. Vieles geht heute schneller als gestern noch und nach der Logik der Physik entspricht dies einer Beschleunigung. Gleichzeitig lehrt uns die Physik auch, dass Geschwindigkeiten nur relativ zueinander verstanden werden können. Mir kommt es vor, als wenn das Lamento der permanenten Beschleunigung oft von älteren Menschen, bzw. Erwachsenen geäußert wird. Für sie ändert sich die Welt, da sie eine alte Vorstellung vom Gang der Dinge haben. Nur durch den relativen Bezug, kann es das Gefühl einer Änderung geben. Doch die anderen Menschentypen gehen bei diesen Beschwerden oft unter: Kinder, Teenager und junge Erwachsene. Sie sehen die Welt so, wie sie ist. Für sie gibt es das Prinzip der Beschleunigung nicht. Denn, alles was sich für die Erwachsenen geändert hat, war für sie schon immer so. Es liegt also mehr an der jeweiligen Vorstellung über die Welt, dass sie als beschleunigt wahrgenommen wird. Sie verändert sich einfach, wie sie es schon immer tat. Letzten Endes hat die Erde auch eine permanente (Erd)beschleunigung, doch nur selten werden Beschwerden laut, dass man Kraft aufbringen muss, um aufrecht zu stehen.

Der Geist auf der Oberfläche

Es ist schon bald müßig, darüber zu reden, dass das Smartphone die Welt verändert hat und es auch weiterhin macht. Wie bei jeder technologischen Umwälzungen gibt es auch hier Unkenrufe, die all das Schlechte im Neuen hervorheben. Doch die Welt war schon immer im Wandel begriffen und wird es auch bleiben. Wenn genügend Zeit vergangen ist, kann man diese Beschwerden mit einem Schmunzeln quittieren.

Im Falle des Smartphones ist es jedoch anders, da die Folgen der Veränderung viel tiefgreifender sind.

Vor knapp über 10 Jahren gab es keine Möglichkeit, jeglichen Anflug von Langeweile durch einen schnellen Griff in die Hosentasche abzuwenden. Jetzt heißt es: Warten auf den Bus? Handy raus. Warten an der Supermarktkasse? Handy raus. Warten an der Ampel? Handy raus. Diese Art der permanenten Zerstreuung stört nicht nur unsere Konzentrationsfähigkeit und lässt uns zu Push-Notifikation-Junkies werden, sie führt auch dazu,  dass sich der menschliche Geist vom Körper entkoppelt.

Die permanente Zerstreuung erschwert es ungemein, innezuhalten und dem Kopf Freiraum zu geben. Nur in diesen entspannten Zuständen entsteht aber die Möglichkeit, über sich selbst nachzudenken, sich selbst wahrzunehmen und neu zu strukturieren. Die Erfassung der Welt und Umwelt geschieht in diesem Fall egozentrisch. Wir betrachten unsere Umgebung und haben somit die Verständnishoheit über sie.

Die Wahrnehmungsänderung

Durch das Smartphone wird dieser Weg der Perzeption umgedreht. Nicht mehr wir erkennen die Welt und erklären Sie uns, sondern wir schauen nur noch auf eine leicht spiegelnde Oberfläche und nehmen vorverarbeitete Konzepte auf. Jemand anders hat sich bereits Gedanken gemacht, wie wir eine Information wahrnehmen und verarbeiten sollen und präsentiert sie uns dementsprechend. Hier kann natürlich eingeworfen werden, dass dies bei Zeitungen und dem Fernseher unwesentlich anders ist, aber die permanente Verfügbarkeit des Smartphone ändert alles. Zum einen ist Lesen ein deutlich aufwendiger Akt als Fernsehen oder auf ein Smartphone zu gucken (Dies ist einer der Gründe, weshalb diese Aktivität einer der besten Möglichkeiten ist, um FLOW zu erfahren), zum anderen ist der Fernseher an einen festen Ort gebunden, das Smartphone hingegen nicht.

Mir kommt es so vor, als befände sich unser Geist nicht mehr in unserem Kopf sondern in unserer Hand. Durch diese passive Haltung wirkt die Welt wie ein Buffet, von dem man sich einfach bedienen kann, anstelle eines Kochfelds, auf dem man nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Kreativität hat.

Die kreative Schöpfungsader des Menschen ist jetzt noch viel stärker unter Beschuss als sie vielleicht ohnehin schon immer war. Um sich der Analogie des Homo Oeconomicus zu bedienen: Die Menchen müssen vom homo consumendo wieder zu einem homo creando werden, auch wenn dies viel anstrengender ist.

Denn nur wer die Hoheit über seinen Geist hat, hat auch die Hoheit über die Wahrnehmung seiner äußeren Zustände.

Das Problem mit den Haushaltshelfern

Seit einiger Zeit besitzen wir eine Spülmaschine. Bis zu dem Zeitpunkt hatten meine Frau und ich die Abmachung, dass die bekochte Person als Austausch den Abwasch machen muss, was zumeist ich war. Ich emfpand das persönlich jedoch nie schlimm, auch wenn das Abwaschen gerne als lästige Tätigkeit angesehen wird. Jetzt, wo wir vermehrt die Spülmaschine nutzen, wird mir klar, dass solche simplen Tätigkeiten kleine Oasen im Alltag sind. Denn sie erlauben es, sich mit sich selbst zu beschäftigen.

In unserer durch mediale Stimuli geprägten Welt, gibt es kaum noch Momente, die der Geist zum Leerlauf nutzen kann, doch sind diese Phasen für den Kopf essentiell, um sich neu zu struktieren und neue Verbindungen im Kopf einzugehen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb einem Ideen meistens dann einfallen, wenn man spazieren geht, duscht oder kurz vorm Einschlafen ist. Diese Momente bieten dem Gehirn die notwendige Ruhe. Doch werden diese Leerlaufphasen nicht nur durch Smartphones, Fernseher und co. weniger, sondern auch durch unsere Haushaltshelfer.

Die Helferli

Ganz klar, sie sind praktisch. Rasenmäherroboter, Staubsaugroboter, Spülmaschinen, Waschmaschinen und Fertiggerichte nehmen uns eine Menge Arbeit ab und ich bin auch kein Verfechter davon, alles immer per Hand machen zu müssen. Doch schenken diese Helfer uns Zeit, die wir nun anders füllen müssen und das kann sich als schwierig gestalten. Denn die Verführung, mit der gewonnenen Zeit einfach mehr zu surfen oder mehr fernzusehen ist groß. Diese Option ist immer die Einfachere, da wir sofort befriedigt werden. Es muss nun aktiv eine Umgebung geschaffen werden, um sich zu entspannen und damit meine ich, in sich ruhend. Wann ist das letzte Mal gewesen, dass Ihr einfach auf der Couch lagt und nachgedacht habt? Wenn es euch so ergeht wie mir, dann ist es vermutlich schon ziemlich lange her. Wir können schon fast gar nicht mehr ohne Erregung leben, da wir unsere Aufmerksamkeit gehackt haben.

Deswegen plädiere ich nicht für eine Medienkompetenz, sondern für eine Haushaltshilfenkompetenz. Natürlich, auf den ersten Blick sind es Helfer und gut gemeinte Idee, doch das Gegenteil von gut ist bekanntermaßen gut gemeint. Ich persönlich finde es mittlerweile ganz schön, wenn wir etwas aufwendiger kochen. Ich kann schnibbeln und entspannt dem Radio zuhören (Ich habe auch das Gefühl, dass das Radio die Aufmerksamkeit nicht so stark bindet wie der Fernseher oder das Smartphone. Mir scheint, als würden die visuellen Informationen mit mehr Aufwand prozessiert werden als die Auditiven). Dann habe ich danach Zeit, ganz entspannt abzuwaschen und meinen Gedanken nachzugehen und mit Ideen und Eingebungen wieder zurückzukommen, wie diesem Blogeintrag.